Bücher und Filme wie 50 Shades of Grey oder Lust an der Unterwerfung aus den frühen 90ern haben das Thema BDSM in schöner Regelmäßigkeit immer mal wieder in die Schlagzeilen und einem breiteren Publikum näher gebracht.
Auch wenn Insider dabei oft nur den Kopf schüttelten, hatten diese Bücher einen positiven Effekt:
Menschen, die zwar BDSM-Lust verspürt, diese aber bis dahin immer unterdrückt hatten, wurden dazu ermutigt, einen ersten Schritt in Richtung Verwirklichung zu tun (siehe auch 50 Shades of Grey – eine Hassliebe).
Auf diesem Weg gibt es viel zu lernen, Zweifel und Momente des Grübelns müssen überwunden und Vorurteile in Bezug auf BDSM ausgeräumt werden.
Mehr als schlagen und geschlagen werden
Denn anders, als viele Unwissende das annehmen, geht es dabei eben nicht in erster Linie um ‚schlagen und geschlagen werden‘, sondern um eine der intensivsten Arten erotischen Erlebens:
Abgrundtiefe Lust und Geilheit, Höhenflüge auf körpereigenen Drogen und als unabdingbare Basis dafür ein großes beiderseitiges Vertrauen.
BDSM – was ist das eigentlich?
BDSM steht als Sammelbegriff für gleich sechs englische Wörter (Bondage, Discipline, Dominance, Submission, Sadism, Masochism) und hat das kürzere ‚SM‘ weitestgehend abgelöst, weil es umfassender und weniger als psychische Störung stigmatisiert ist.
Dabei meint BDSM immer einvernehmliche Aktivitäten. Jeder Akt des Sadismus mit unfreiwilligen Opfern oder Bondage, die darauf ausgelegt ist, eine Person gegen ihren Willen handlungsunfähig zu machen, hat nichts mit BDSM zu tun.
Kurz gesagt: Wenn etwas nicht einvernehmlich ist, ist es kein BDSM. So einfach, so klar.
Liebe?!
Neben dieser wichtigen Voraussetzung, gibt es weitere Eckpfeiler des BDSM, wie die klare Kommunikation von Wünschen und Grenzen, Bewusstheit, Sensibilität, Selbst- und Fremdwahrnehmung und – ja – Liebe.
Gerade die Liebe ist eine für Außenstehende manchmal schwer zu verstehende Tatsache. Denn wo der unerfahrene Betrachter Unterdrückung, Missbrauch und Grausamkeit sieht, fühlen sich die tatsächlich Beteiligten von Liebe umgeben.
Diese unterschiedliche Wahrnehmung macht aus der dunklen, furchteinflößenden BDSM-Welt etwas Magisches.
Lust und Scham: Bin ich pervers?
Viele Menschen werden von dunklen Fantasien von Kontrolle / Kontrollverlust oder Sadismus / Masochismus begleitet und fühlen sich deswegen schuldig oder gar krank.
Sobald wir jedoch wissen, dass wir weder missbraucht werden können, noch missbrauchen, wenn wir diese Fantasien ausleben, können wir uns diesem Teil von uns öffnen, der normalerweise unterdrückt und versteckt bleibt.
Dies gilt insbesondere für Fantasien in uns, die immer wieder auftauchen. Diese Fantasien fallen meist in eine von zwei Kategorien und wir wissen nur dann in welche, wenn wir sie ausgelebt haben:
1. Manchmal erkennt man beim Ausleben einer Fantasie, dass sie nur die Maske für etwas anderes ist – oftmals für Schamgefühl. So hatte eine meiner Servas sehr explizite Vergewaltigungsfantasien.
Beim gespielten Ausleben dieser Fantasie kam jedoch der wahre Grund dafür an die Oberfläche: Sie hatte sich nie das Recht zugestanden, ihre ziemlich ausgeprägten sexuellen Gelüste vollkommen zu genießen.
Die Vergewaltigungsfantasie war für sie ein Weg, bei dem sie glaubte ihre Lust ohne Schamgefühle genießen zu können, weil sie ja für nichts verantwortlich war. Das kann in Einzelfällen funktionieren, führt aber nicht selten zum Absturz.
Da jedoch eine oftmals über Jahre hinweg kultivierte Fantasie sehr mächtig ist, muss man es zumeist versuchen, um dies zu erkennen. Der dominante Part hat dabei eine besondere Verantwortung.
Er muss einerseits das Spiel initiieren, von dem der devote Partner schon so lange träumt, andererseits aber auch erkennen, wann es Zeit ist, dies in eine andere Form zu überführen. Zum Beispiel indem er zwar beherrscht, aber nicht gewaltsam zwingt.
2. Manche Fantasien entpuppen sich in der Praxis als erotisches Kernmotiv, das erregend und voller Vergnügen ist. In diesem Fall kommen wir durch das Ausleben dieser Fantasie unserer sexuellen Essenz immer näher.
Das wiederholte Spielen führt von Mal zu Mal zu tieferen und reicheren Empfindungen und wir lieben ganz einfach, es immer und immer wieder zu tun.
Leider geil
Neben diesen Deutungen ist und bleibt BDSM schlicht und ergreifend geil. Millionen von Menschen auf der ganzen Welt würden es nicht tun, wenn es anders wäre.
Es ist ein schneller Weg zu großer Erregung, erstaunlichen Höhenflügen und veränderten Bewusstseinszuständen, wie man sie auch mit jahrelanger Meditation nur schwer erreicht.
Dabei dient BDSM als Oberbegriff für eine fast unendliche Vielzahl von Formen sexuellen Erlebens, von denen allerdings einige populärer und häufiger anzutreffen sind, als andere:
Lustschmerz – Höhenflüge auf Endorphinen
Der Körper reagiert auf ein großes Spektrum von Empfindungen: Von federleichten Berührungen bis hin zu harten Schlägen mit einer Peitsche oder Gerte (und allem dazwischen).
Außenstehende fragen sich häufig, warum das Thema Lustschmerz im BDSM so einen großen Raum einnimmt. Die Antwort ist einfach: Weil Lustschmerz high macht.
Biochemisch gesehen passiert dabei Folgendes: Wenn der Körper Schmerz verspürt, produziert er Endorphine als natürliche Neurotransmitter zur Schmerzkontrolle. Endorphine können wie Drogen wirken und führen dadurch zu einem entrückten, entspannten und glücklichen Zustand.
Manche Menschen lieben es, den Schmerz wirklich zu spüren, weil dies die tatsächliche Endorphin-Ausschüttung anregt. Für andere fühlt sich schon die Spannung zwischen Genuss und Schmerz gut an, weil der Körper sich dadurch zum Teil überlisten lässt und Endorphine produziert, obwohl er noch gar keine Schmerzen verspürt hat.
Beherrschung und Unterwerfung
Neben dem Lustschmerz sind Beherrschung und Unterwerfung äußerst populäre und anregende Spielarten im BDSM. Für moderne, emanzipierte Menschen mag es etwas befremdlich erscheinen, wenn eine Person die Kontrolle über sich selbst abgibt.
Aber die einvernehmliche Kontrollabgabe an einen vertrauensvollen Menschen eröffnet riesige Möglichkeiten für das sexuelle Erleben.
Sie hat etwas beruhigendes, ausgleichendes, ja befreiendes und wird deshalb gerade von Frauen wie Männern gelebt, die im normalen Leben viel Verantwortung und Macht haben oder sich vor Kontrollverlust so sehr fürchten, dass sie zu echter Hingabe und zu echtem Fallenlassen nicht oder nur schwer in der Lage sind.
Bondage- fesseln und gefesselt werden
Die Fesselkunst ist eine Disziplin im BDSM, die sich in manchen Teilen weit vom Sexuellen entfernt hat. Shibari-Sessions sind oft mehr Kunst, als sexuelle Handlung. Auch wenn die Situation und die Empfindungen speziell der Gefesselten hocherotisch sein können.
Daneben ist das Gefesselt-werden an sich ein einfacher und schneller Weg, um Menschen, die Probleme mit dem Fallenlassen und Kontrollverlust haben, zu Kapitulation und Entspannung zu verhelfen.
Gefesselt zu sein wird von ihnen allgemein als Gehalten-werden beschrieben, das ihnen ein sicheres und behagliches Gefühl des Geliebt-seins gibt. Neben dieser Schlüsselrolle des Fesselns gibt es natürlich auch hier weitere Gründe. Angebunden zu werden kann ähnlich wie der Lustschmerz high machen.
In bestimmten Positionen gefesselt zu werden, macht für Sex verfügbar und es ist eine wundervolle Form des Vorspiels.
Rollenspiele – jemand anderer sein dürfen
Ein letzter großer Bereich des BDSM sind Rollenspiele. Sie sind deshalb so erregend, weil sie uns die Erlaubnis geben, für eine Weile jemand anderer zu sein.
Man lebt in Rollen Bereiche seiner selbst, die ansonsten unterdrückt werden und tabu sind. Beispiele dafür sind: Opfer – Tyrann | strenger Lehrer – ungehorsame Schülerin | Boss – Sekretärin | Polizist – Verkehrssünderin | Scheich – Haremsdame … und all die anderen Figuren in unseren Köpfen. Denn nur wer auch die dunklen Seiten seines Selbst annehmen kann, wird wirklich glücklich sein.
Das waren – wie oben bereits erwähnt – die nach unserer Erfahrung populärsten und am häufigsten anzutreffenden Formen sexuellen Erlebens, die es unter dem BDSM-Dach gibt. Selbstverständlich ist diese kurze Zusammenfassung alles andere als vollständig.
Zuletzt …
Was auch immer Fantasien ans Licht bringen, sie sind wertvolle Teile von uns. Indem wir es uns erlauben, sie auszuleben, bereiten wir uns ein großes Geschenk – und nebenbei höchstwahrscheinlich ein paar ziemlich erregende Momente.